Die aktuelle Entwicklung des Massnahmenrechts bei (fast) ausschliesslicher Fokussierung auf Sicherheitsinteressen

Datum:Donnerstag, 3. Dezember 2015
Referent/-in: Dr. iur. Marianne Heer
Kantonsrichterin Luzern
Lehrbeauftragte an der Universität Freiburg
Ort: 18.00 Uhr, Saal, 1. Stock
Zunfthaus Kämbel zur Haue
Limmatquai 52
8001 Zürich

Dass sich das Strafrecht immer mehr nur noch auf das Thema "Sicherheit" fokussiert und dabei wichtige Grundsätze des Strafrechts und vor allem auch des Verfahrensrechts über Bord geworfen werden, zeigt sich nirgends so deutlich wie beim Massnahmenrecht. Kritische Beobachter erkennen eine Psychiatrisierung der Strafjustiz. Therapeutische Massnahmen nehmen zu, vor allem weil sie immer länger dauern. Längst geht es nicht mehr vor allem um das Wohl des psychisch kranken Straftäters, sondern um ein Wegsperren eines Betroffenen, der unter Umständen gar nicht so gefährlich ist. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Verwahrungen kaum mehr angeordnet werden, obwohl politische Bestrebungen in jüngerer Vergangenheit in eine andere Richtung weisen. Dies ist nicht auf Skrupel der Gerichte zurückzuführen, obwohl solche bei diesem äusserst harten Eingriff in die Freiheitsrechte durchaus angezeigt wären. Vielmehr sind die Voraussetzungen für diese rein sichernde Massnahme äusserst streng. Die Alternative für Verwahrungen wird in gesicherten therapeutischen Massnahmen gesucht, die in der Praxis kleine Verwahrung genannt werden. Sachgerechte Therapien können aber den Betroffenen in vielen Fällen mangels ausreichender Ressourcen nicht angeboten werden, womit sich der Massnahmenvollzug faktisch als doppelte Bestrafung erweist. Gleichzeitig ist in der Praxis das Bedürfnis zu erkennen, nach Rechtskraft von Strafurteilen im Verlauf des Vollzugs auf eine später festgestellte Gefährlichkeit zu reagieren, was grosse rechtliche Probleme aufwirft. Das Referat soll zeigen, mit welchen Schwierigkeiten die Praxis zu kämpfen hat.

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